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Mary
Auszug aus "Inseln der Erinnerung"
 

Papas Schweinezucht gedieh !
Die Pflegerin und Betreuerin der Schweine hieß Maria. Wir nannten sie „Schweinemary“ Sie war die ungekrönte Königin in ihrem Reich, denn alle Hilfskräfte, die ihr zur Seite standen, lagen in der Hierarchie und allgemeinen Wertschätzung weit unter ihr und den zuletzt geborenen Ferkeln.
Marys hoch gewachsene Gestalt und massige Körperfülle flößten ihren Mitarbeitern enormen Respekt ein, zumal jeder ihre Kenntnisse und Erfahrungen auf dem Gebiet einer erfolgreichen Schweinezucht neidlos anerkannte.. Auch Papa war von ihrem Können überzeugt und verließ sich voll und ganz auf sie.
Da es sich bei Marys Schützlingen überwiegend um Zuchttiere handelte, die nicht geschlachtet wurden, hatte sie das große Glück, zu jedem einzelnen Tier eine Beziehung aufbauen und diese lange genießen zu können. Sie kannte jedes Schwein beim Namen und wusste jeden Geburtstag. Dies ging auch aus den schwarzen Tafeln hervor, die über den Stallboxen hingen. Mir war immer rätselhaft geblieben, wo und wann Mary schreiben gelernt hatte. Aber die mit Kreide angegebenen „Personaldaten“ waren exakt, gewissenhaft und sauber ausgeführt.
Sie sprach und lachte mit ihren Pfleglingen, tätschelte liebevoll ihre prallen Speckseiten und hatte an nichts anderem Interesse, als mit ihren Tieren zu leben und sie zu versorgen.
Eine eigene Wohnung lehnte sie ab, da sie immer nah bei ihren Lieblingen sein wollte. Mit einer Ecke der Sauküche gab sie sich völlig zufrieden. Dort ruhte sie sich auf einem bescheidenen Lager aus Stroh und einer Rosshaardecke nachts für wenige Stunden aus. Ansonsten war sie rundum damit beschäftigt, den Mist zu entfernen, die einzelnen Abteilungen mit heißem Wasser blank zu schrubben und ihre Hilfskräfte durch ständiges Befehlskommando zu tatkräftiger Mitarbeit anzufeuern.
Für das tägliche Schweinefutter kochte sie in einem gewaltigen Kessel Unmengen von Kartoffeln, die sie in einer großen ovalen Zinkwanne mit kräftigen Händen unter Zugabe von Kleie, Obst- und Gemüse-Abfällen zu einem zähen, dampfenden Brei zerquetschte. Dabei steckten ihre muskulösen Arme bis zu den Ellenbogen im Trog.
An ihren Wangen klebten ständig irgendwelche Kleie-Reste, so dass ich das Gefühl nicht los wurde, Mary äße auch davon. Außer dem großen Kartoffelkessel gab es nämlich keine andere Möglichkeit einer Essenszubereitung. Man traf sie auch niemals außerhalb des Stalles an.
Sie schien mit ihrem Leben und ihrer Arbeit, in der sie völlig aufging, restlos zufrieden zu sein.
Es hatte sich unter uns Hofkindern herumgesprochen, dass Mary den großen Kessel praktischerweise wöchentlich auch als Badewanne benutzte.
Da sich die zweiteilige Pendeltür zum Schweinestall nicht schließen ließ, was auch nicht unbedingt notwendig war, beobachteten wir diese Prozedur durch den mittleren Spalt, den wir durch leichten Druck ausreichend öffneten, um genügend Sicht auf Marys Badeaktion zu erhalten. Viel konnten wir nicht erspähen, da der heiße Dampf im Stall nur eine diesige unklare Sicht zuließ, in der alle Konturen verschwammen. Aber es genügte, was sich uns Voyeuren an Spannendem bot.
Marys schemenhafte wuchtige Nacktheit verschwand immer rasch mit einem dumpfen Plumps im Kartoffelkessel. Dann sah man von ihr nur noch einen Teil ihres fleischigen Oberkörpers. Sie hatte die Haare zu einem dürftigen Dutt hoch gezwirbelt, mit einem Stückchen Hanfseil zusammengebunden und bearbeitete ihren rosafarbenen Leib mit einer groben Wurzelbürste, wobei sie Arme und Beine im Wechsel ächzend aus dem Bottich streckte, um gründlich daran zu schrubben. Bei jeder ihrer Bewegungen schwappte das Badewasser über, denn es musste für Mary enorm unbequem und anstrengend sein, ihre Extremitäten in dem kreisrunden, hohen Kessel unterzubringen. Manchmal stieß sie einen fluchenden Wehlaut aus, wenn sie sich in der unpraktischen Enge dieser Ersatzbadewanne am oberen Rand stieß. Wir kicherten dann und zählten heimlich die blauen Flecken, die sich Mary allwöchentlich bei ihrer Planscherei zwangsläufig holen musste.
Und immer, wenn der Samstagabend nahte, genossen wir Kinder dieses kostenlose Schauspiel als vergnüglichen Einakter.
Als merkwürdig empfand ich die Tatsache, dass Mary sogar schon den Gesichtsausdruck ihrer Lebensgefährten angenommen hatte. Mit kleinen munteren Schlitzaugen und hellen Härchen um Mund und Kinn, hatte sie sich ihnen angepasst.

 

 


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